« zurück zur Übersicht

„Die Würde des Menschen hört mit dem Tod nicht auf.“

Julia Kreuch und Dennis Horeis sind Bestatter*innen im Lotsenhaus von Hamburg Leuchtfeuer. Im Interview erzählen Sie von ihrem Werdegang, was das Lotsenhaus besonders macht und was es bei einer Bestattung in Zeiten von Corona zu beachten gibt.

Dennis und Julia, ihr seid beide seit Anfang 2021 im Bestattungsbereich des Lotsenhaus tätig. Wie seid ihr zum Lotsenhaus gekommen?

Julia: Ich bin hauptberuflich eigentlich Vertrieblerin, habe mich aber schon seit einigen Jahren vielfältig mit dem Thema Tod auseinandergesetzt. Bei einem Praktikum habe ich gemerkt, dass ich sehr gerne in die Bestattungsbranche wechseln würde. Über Empfehlungen bin ich in Kontakt mit dem Lotsenhaus gekommen und mir wurde eine Minijob-Stelle angeboten. Mittlerweile habe ich einen flexiblen Vertrag, der mir den Übergang vom Vertriebsjob in den Bestattungsbereich beim Lotsenhaus ermöglicht. Da kommt mir zugute, dass es in unserer Branche ja viele Quereinsteiger*innen gibt.

Dennis: Ich arbeite bereits seit ca. sieben Jahren als Bestatter und bin auch selbstständiger Trauerredner. Ich hatte mich eigentlich aus dem Bestattungsgewerbe verabschiedet, doch durch den Job im Lotsenhaus habe ich eine völlig andere Sichtweise darauf bekommen, wie wir mit Verstorbenen und Angehörigen umgehen können; dass uns Freiheiten gegeben werden und dass auf Angehörige hier ganz besonders eingegangen wird. Hier kommt man gewissermaßen wieder zum Ursprung der Bestattung zurück: Es steht niemand mit einer Stoppuhr oder dem Taschenrechner hinter mir oder den Trauernden. Die Art der Auseinandersetzung mit Verstorbenen und Angehörigen ist hier sehr tiefgehend. Die Würde des Menschen hört mit dem Tod nicht auf.

Was bedeutet das Konzept der individuellen, kreativen und persönlichen Gestaltung von Bestattung und Trauerfeier im Lotsenhaus in der Praxis? Wie sieht der Kontakt und die Absprache mit Hinterbliebenen und Klient*innen aus?

Dennis: Das fängt schon beim Gespräch an. Die Planung und das Vorgehen bei einer anonymen Urnenbestattung, wird genauso gehandhabt, wie bei jemandem, der eine Bestattung mit großer Trauerfeier und allem was dazu gehört. Denn auch wenn bspw. die anonyme Urnenbestattung ja ein vergleichsweise kleiner Auftrag ist, sitzen mir auch hier die trauernden Angehörigen gegenüber. Diese brauchen genau dieselbe Behandlung, wie jemand, der eine große Trauerfeier macht. Man kann sich für die Menschen und ihren Kummer und ihre Sorgen genügend Zeit nehmen, unabhängig vom Auftrag.

Impression einer Trauerfeier mit Sarg im Saal des Lotsenhauses

Ein großes Plus ist auch, dass die Angehörigen bei einer Bestattung im Lotsenhaus in unseren großen Saal kommen und sagen können “Ich möchte hier eine riesige Strandlandschaft gestaltet haben, weil der Verstorbene so sehr den Strand geliebt hat.” Wir können den Angehörigen hier ohne große Diskussionen eine Feier ganz nach ihren Wünschen ermöglichen. Das ist wirklich toll, denn jede*r Verstorbene für sich ist individuell und jeder Abschied sollte es eben auch sein.

Auch zeitlich haben wir mit dem Saal ganz andere Möglichkeiten. Wir können völlig frei und flexibel, ohne Zeitdruck und individuell arbeiten und uns um die Trauergäste kümmern. Durch die Gestaltung und die Umgebung inner- und außerhalb des Lotsenhauses entsteht bei Angehörigen hier auch nicht gleich der Eindruck von Trauer und Tod, sondern eine Atmosphäre in der man sich trotz des schweren Tages wohlfühlen kann. Diese zeitlichen und inhaltlichen Gestaltungsmöglichkeiten und das warme Ambiente sind in Hamburg wirklich besonders.

Julia: Ein weiterer Vorteil für unsere Kund*innen ist, dass wir nicht verkaufsgetrieben sind. Das ist für mich als gelernte Vertrieblerin manchmal schwierig (lacht) aber im Lotsenhaus muss ich es eben nicht sein. Die Befürchtung, dass ich teure Särge verkaufen und den Kunden ein sinnloses Angebot machen muss, gab es bei mir durchaus. Aber dass es hier keinen Verkaufsdruck gibt, ist wirklich schön.

Was sind im Kontext der Coronabeschränkungen die häufigsten Sorgen und welche Lösung bietet das Lotsenhaus dafür?

Dennis: Trauerfeiern sind abhängig von der Größe der Location natürlich auch weiterhin möglich, in einem begrenzten Rahmen. Wichtig dabei ist: Hände desinfizieren, Maske auf, gut lüften. Hier in unserem Saal im Lotsenhaus können die Menschen auch mit dem erforderlichen Abstand gut sitzen. Das sind neben der Protokollierung der Gästeliste die Grundlagen.

Impression einer Trauerfeier mit Sarg im Saal des Lotsenhauses

Menschen, die Angst haben, jemanden von der Trauerfeier auszuschließen, bieten wir an, die Trauerfeier für eine gebotene und angemessene Dauer aufzuschieben. Es gibt auch die Möglichkeit, Trauerfeiern aufzuzeichnen oder per Livestream zu übertragen, um mehr Menschen daran teilhaben zu lassen. Und wir versuchen zu vermitteln, dass unter den aktuellen Umständen auch viel Verständnis besteht für Trauerfeiern, die im kleinen Rahmen und im kleinen Personenkreis stattfinden. Mit diesen Hinweisen erreicht man die Angehörigen sehr schnell.

Julia: Nicht nur, aber auch unter Coronabedingungen ist der große Saal einfach ein riesiger Vorteil. Dort können die Angehörigen im Rahmen des Möglichen und Erlaubten ja feiern und gestalten, wie sie wollen. Da ist niemand, der urteilt oder richtet und da gibt es kein festes Regelwerk, wie in einer Kapelle oder in einer Kirche. Mit seiner Größe ist es uns aktuell auch möglich, Trauerfeiern mit bis zu 22 Menschen abzuhalten. Das ist derzeit ja vergleichsweise viel.

Impression einer Trauerfeier mit Urne im Saal des Lotsenhauses

Dennis: Durch diese Themen ist die Beratung noch weitläufiger geworden, denn das sind Themen, mit denen wir uns niemals befassen mussten, bis Corona kam. Hier gilt es für uns Bestatter*innen, noch flexibler und noch sensibler auf das zu reagieren, was sich die Angehörigen wünschen.

 

Das Lotsenhaus zeichnet sich ja auch durch sein dreigliedriges Konzept von Bestattung, Bildung und Trauerbegleitung aus. Welchen Vorteil bietet dies aus eurer Sicht?

Dennis: Für die meisten Menschen bieten sich im Zusammenspiel von Bestattung und Trauerbegleitung die größten Potenziale. Das sind ja auch Angebote mit einem sehr individuellen Zuschnitt die sich gut ergänzen und das Lotsenhaus kann seine Hilfesuchenden hier auf dem Weg begleiten.

Hilft euch beiden eure berufliche Dualität bei der Arbeit als Bestatter*in?

Julia: Mir kommen die Erfahrung und der gelernte professionelle Umgang mit Kund*innen, die aufgebracht sind, merklich entgegen. In solchen Momenten kann ich gut auf die Menschen eingehen. Diese Art von Resilienz und Einfühlungsvermögen ist auch in der Arbeit mit emotional aufgewühlten Trauernden und Angehörigen ein Vorteil.

Dennis: Bei mir als Trauerredner fließt das eine in das andere und umgekehrt. Der Vorteil durch die Erfahrung als Trauerredner ist, dass ich in den Beratungsgesprächen als Bestatter einen erweiterten Blickwinkel einnehmen kann und den Hinterbliebenen so auf sensible Art eine starke Schulter und eine Stütze bieten kann. So entsteht bei diesen Menschen auf ganz natürliche Weise das Gefühl “Da steht jemand an unserer Seite, der mit Gefühl und Leidenschaft an der Bestattung unseres Angehörigen arbeitet.” Das ist ein sehr wichtiger Punkt.

 

Sie interessieren sich für das Angebot im Bereich Bestattung im Lotsenhaus? Unter www.lotsenhaus-bestattungen.de finden Sie alle Informationen. Informationen zum Angebot in den Bereichen Bildung und Trauerbegleitung finden Sie hier. Wir freuen uns auf Ihren Besuch.